* 91. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 01.07.2011 *
Ruhetag in Kiel / Gesamtstrecke: 1216km
- Ich geh mal in die Politik -
Meine Gastgeberin, die Landtagsabgeordnete Anke Erdmann, hatte mir den Besuch einer Landtagsdebatte ermöglicht. Ich saß also ab 10:00 Uhr brav und interessiert auf der Zuschauertribüne. Mein Waffen hatte ich vorher abgeben müssen. Spielverderber!
Es ging heute um die Wiedereinführung der Monarchie. Oder es kann auch die "Diskussion über die Durchführungsmöglichkeit einer Machbarkeitsstudie für eine Prüfung der Beschlussfähigkeit eines Antrags auf Zwangsaufstieg von Holstein Kiel in die Bundesliga" gewesen sein. Vielleicht wurde auch nur ein Pflegethema diskutiert. Ich hab nicht so genau aufgepasst. Die einzelnen Beiträge waren auch etwas verwirrend. Aber durchaus interessant, so etwas mal zu verfolgen.
In einer Pause hat mich Anke dem Landtagspräsidenten Thorsten Geerdts vorgestellt. Ein wirklich netter, lockerer Typ. Leider hat er meine mit aller Dringlichkeit vorgetragene Bitte, nach einer polizeilichen Eskorte bis zur Landesgrenze, abgelehnt. Schon wieder Spielverderber! Von der Zuschauertribüne konnte man einen Wahnsinnsausblick auf die Kieler Förde genießen. Ab und an fuhr ein großes Passagierschiff vorbei. Tolle Sache. Ich habe zwischendurch mal um Wiederholung des soeben am Rednerpult vorgetragenen Beitrags gebeten, weil ich ja verständlicherweise durch die Schiffchen abgelenkt wurde. Das wurde schnöde abgelehnt. Und nochmal Spielverderber!
Nein, hab ich natürlich nicht gemacht, sondern ernsten Blickes den Ansichten der jeweiligen Redner zugehört und auch ein-/zweimal zustimmend genickt, bzw. ablehnend den Kopf geschüttelt. Das müsste eigentlich reichen für einen Sitz im Landtag. Wir werden sehen.
Auf alle Fälle würde ich Anke Erdmann wählen. Das ist 'ne richtig Schlaue, kann reden und hat das "Herz auf dem rechten Fleck". So!
- Käffchen mit Olli und Scholle -
Vor dem Landtagstermin (und nochmal danach) traf ich mich mit Olli Pohl und seinem Freund "Scholle" (er hat sicher noch einen richtigen Namen. Obwohl, hier oben im Norden?! Wer weiß...). Olli hatte den Zeitungsbericht in den Lübecker Nachrichten gelesen und angefragt, ob er helfen könne. Wir verabreden uns für 9:00 Uhr und stellten sehr schnell fest, daß wir den ganzen Tag verquatschen könnten. Da saß mir eine sehr dynamische, begeisterungsfähige Sportskanone (40 Jahre alt, verheiratet, 5 Kinder) gegenüber, die vor einigen Jahren schon mal eine Tour durch Deutschland organisiert hatte (mehrere Läufer + Begleitfahrzeuge) und sehr interessiert war, an meinen Erfahrungen. Er hatte tolle Ideen und Tipps für meine weitere Tour. Hat mich sehr gefreut, Olli.
- Abends im Ökodorf -
Anke hatte noch etwas länger im Landtag zutun, so habe ich mit Ulf - angenehm plaudernd - einen Rundgang über das ganze Gelände gemacht. Schon beeindruckend, was hier ökologisch umgesetzt wurde.
Auch das ist wieder eine richtig interessante Episode auf meiner Deutschlandtour.
* 92. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 02.07.2011 *
Strecke: Kiel --> Wrohe (12km) / Gesamtstrecke: 1228km
Dauer: ca. 3,5h / Google Maps 92. Etappe
- Regen -
Heute bin ich etwas später losgekommen, da ich zum einen noch einiges vor- und nacharbeiten "durfte" und zum anderen warten wollte, bis der Regen etwas nachließ. Das hat er auch, bis ich etwa 1 Kilometer unterwegs war. Dann ging es wieder los. Aber gut, so etwas muß auch mal sein. Ich streifte also unterwegs mein Rotkäppchen-Cape über und genoß die landschaftlich schöne Etappe. Es ging durch den Wald und an Seen vorbei nach Wrohe.
- SERVAS läßt grüßen -
Zu meinen heutigen Gastgebern - Regine, Martin und dem kleenen Anton - bin wieder sehr zufällig gekommen. Sie haben den Bericht in den Lübecker Nachrichten gelesen und sich für die Tour begeistert. Obwohl sie anhand der angegebenen Etappen sahen, daß Wrohe nicht auf meiner Strecke liegt, schrieben sie trotzdem eine Email und luden mich ein. Ich habe mich dann für einen kleinen Umweg entschieden und wurde wunderbar aufgenommen. Es stellte sich heraus, daß die beiden auch bei SERVAS als Gastgeber vermerkt sind, mir aber nicht auffielen, da der Ort nicht auf meiner Strecke lag. Beide sind sehr interessierte, aktive Zeitgenossen und wir unterhielten uns noch lange abends beim Wein.
Vorher stand noch kurz eine Stippvisite auf dem örtlichen Feuerwehrfest an. Martin hatte vorher von meinem Kommen erzählt und so gab es das einoderandere Geschichtchen zu erzählen.
* 93. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 03.07.2011 *
Strecke: Wrohe --> Plön (15km) / Gesamtstrecke: 1243km
Dauer: ca. 4h / Google Maps 93. Etappe
- Bringdienst nach Preetz -
Wie gestern schon erwähnt, lag Wrohe nicht auf meinem ursprünglichen Weg. Um die heutige Etappe am eigentlich geplanten Punkt wieder fortsetzen zu können, brachte mich Martin schnell mal mit dem Auto nach Preetz. Wrohe als Ausgangspunkt wäre zu weit gewesen. Von dort ging es dann "per pedes" weiter nach Plön.
- Einmal durch die Holsteinische Schweiz - Die Gegend rund um den Plöner See ist im Prinzip eine Seenlandschaft. Sie heißt auch "Die Holsteinische Schweiz". Es war ein wunderbaren Weg durch's Grüne und am Wasser entlang. Plön selbst liegt wie so eine Art Halbinsel zwischen Trammersee, kl. Plöner See, Schöhsee und gr. Plöner See eingebettet. Das Wetter war im Grunde sehr gut zum Laufen. Kein Regen, nicht zu warm.
Um zu meinen heutigen Gastgebern Dorit und Sven zu kommen, ging es einmal quer durch die Stadt. Die ist gar nicht so bretteben und ich mußte mir mein Abendessen durchaus verdienen. Mein Weg führte mich auch am Plöner Schloß vorbei. Das sehr nett anzusehende Gebäude liegt auf einer Anhöhe über dem gr. Plöner See und war früher einmal Sitz der Herzöge von Schleswig-Holstein-Plön. Zwischenzeitlich wurde es in ein Internat umgewandelt, bis es 2002 mangels Finanzierbarkeit vom Land an die Fielmann Akademie verkauft wurde. Inklusive der tollen Aussicht über den See.
- Bei Dorit und Sven vorbeigelaufen -
In der Straße meiner Gastgeber ist die Hausnummerierung ein wenig kreativ gehandhabt worden. Links werden die Häuser von 50 abwärts gezählt, rechts von 1 aufwärts. Naja, öfter mal was Neues. Dorit ist die Schwester von Ulf, meinem Gastgeber aus Kiel, wobei der Kontakt eigentlich über sie zustande kam. Dorits Schwippschwager dritten Grades hatte einmal eine Haushälterin, die wiederum mit dem Cousin des Postboten im Nachbarort verlobt war. Dieser kam ursprünglich aus Pommern, wo er...
Egal, ich wurde herzlich empfangen und Sven hatte lecker gekocht. Wir hatten viel Zeit zu plaudern und den Wein vom Vortage zu vernichten (da hatte Dorit Geburtstag). Finito.
* 94. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 04.07.2011 *
Strecke: Plön --> Eutin (16km) / Gesamtstrecke: 1259km
Dauer: ca. 4h / Google Maps 94. Etappe
- Malerischer Weg... -
Nach einem gemütlichen Frühstück mit Dorit und Sven hatte ich noch Tagebuch und Newsletter zu schreiben und dann ging es wieder los. Die Etappe von Plön nach Eutin führte hauptsächlich durch den Wald und am Schöhsee, Behlersee und Dieksee vorbei. In Malente (dort wo deutsche Nationalspieler seinerzeit in der Sportschule getrimmt wurden) machte ich noch ein nettes Päuschen am Kellersee, um dann zwischen kleinem und großem Eutiner See mein heutigen Ziel zu erreichen. Wirklich ein schöner Weg.
Frau Lemke und Herr Yazdani, vom schnuckeligen Hotel Rigoletto in der Eutiner Innenstadt, warten mit einem "Schmankerl" auf mich. Im Hotel gibt es ein Zimmer mit Wasserbett und in diesem durfte ich heute meine müden Glieder ausstrecken. Feine Sache.
- ...mit nerviger Begleitung -
Auf dem tollen Weg durch den Wald waren auch viele kleine, miese Spielverderber unterwegs. Alle 2 Meter schwirrte eine Stechmücke am Ohr und hatte noch Verstärkung im Schlepptau. Nervig! Hab ich die bestellt? NEIN!! Morgen will ich meine Ruhe!
* 95. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 05.07.2011 *
Strecke: Eutin --> Ahrensbök (18km) / Gesamtstrecke: 1277km
Dauer: ca. 4,5h / Google Maps 95. Etappe
- Vom Wasserbett nach Ahrensbök -
Ich nehme mal an, ALLE hätten es verstanden, wenn ich einfach mal 2-3 Wochen im Wasserbett liegen geblieben wäre. Die Journalisten hätte ich am Bett empfangen, irgendein passionierter Wanderer hätte meine Etappen ablaufen "dürfen" und für die Spenden hätte ich die Büchse auf's Fensterbrett gestellt. Das war schon ziiiemlich bequem, in Rigolettos Wasserbett.
Da ich mir aber nicht 100%ig sicher war, über das "ALLE hätten es verstanden", packte ich mal lieber doch meinen Rucksack und wanderte gen Ahrensbök.
- Gastfreundliches Eutin -
Bevor es los ging, kamen noch Per Köster, der Leiter des Eutiner Tourismuscenters und zwei Journalisten vorbei. Herr Köster hat sich im Vorfeld sehr bemüht, dem durchreisenden Wanderer eine bleibende Erinnerung an Eutin zu verschaffen. Die Idee mit dem Wasserbett im Hotel Rigoletto war eine angenehme Überraschung. Als weitere nette Erinnerung bekam ich den offiziellen weißen Schal der Eutiner Festspiele überreicht. So läuft es sich doch etwas stilvoller.
Und ich wurde noch zu einem Besuch des Eutiner Wasserturms eingeladen. Der ist irgendwie 500m hoch und man kann Nairobi sehen. Könnte auch Kiel gewesen sein. Man weiß es nicht...
Jedenfalls hat man eine sehr schöne Aussicht rundherum und auf das schmucke Städtchen Eutin.
Bis zum Ortsschild wurde ich noch von den "rasenden Reportern" Jörn und Rita, von den Lübecker Nachrichten begleitet. Er kommt eigentlich aus Heidelberg und sie ist eine waschechte Wienerin. Es war wohl die "steife Brise", die sie in den Norden gezogen hat.
- Wanderkollegen aus Ahrensbök -
In Ahrensbök bekam ich Konkurrenz, was das Wandern betrifft. Christine und Jan planen für 2012 eine Wandertour von der Schön-Klinik in Neustadt / SH (Jans Arbeitgeber) bis zur Schön-Klinik nach Salzburg. Sie haben dafür nur den Jahresurlaub zur Verfügung. Ein sehr respektables Vorhaben.
Zum Abendessen war auch Christines Mutter Ilse zugegen. Eine sehr jung und agil gebliebene Dame, die immer noch Kanufahrten macht. War eine sehr interessante Plauderrunde.
- Spruch des Tages -
Auf dem Weg nach Ahrensbök kam ich an einer Bushaltestelle vorbei. Eine etwa 17jährige sonnenbebrillte und behandtaschte Maid teilte über ein augenkrebserzeugend-grünes Mobiltelefon ihrer vermutlich ebenfalls weiblichen Gesprächspartnerin - und den Passanten in 1km Umkreis - lautstark ihre Befindlichkeiten mit. Im kurzen Moment meines Vorbeilaufens wurden gerade die unerwünschte und natürlich unerklärliche Gewichtszunahme besagter jungen Dame diskutiert. Sie hatte eine einleuchtende Erklärung parat: "Vielleicht bin ich ja gewachsen, das würde meine 5kg mehr erklären!" Ja nee, is klar.
* 96. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 06.07.2011 *
Strecke: Ahrensbök --> Lübeck (18km) / Gesamtstrecke: 1295km
Dauer: ca. 4,5h / Google Maps 96. Etappe
- Frühstück steht bereit -
Da Christine und Jan zum arbeitenden Volk gehören - im Gegensatz zu einem Gammler, wie mir - mußte ich früh alleine frühstücken. Sie haben aber selbiges liebevoll hergerichtet. Und Mutter Ilse steuerte auch noch den Kaffee dazu bei. Sie legte auch netterweise drei Marzipanpralinen daneben, die ich in den Kühlschrank packte und nachher vergaß. Mist! Muß ich eben in Lübeck mal bei Niederegger vorbeigehen.
Noch in Ahrensbök passierte eine lustige Begegnung. Ein Auto fuhr vorbei, stoppt plötzlich, der Rückwärtsgang wurde eingelegt und es kam zurück. Ein Mann sprang raus, einen Geldschein wedelnd: "Sind Sie der Deutschlandwanderer?" Ich verneinte und erklärte ihm, daß ich als Rucksackschmuggler arbeite.
Nein, nur Spaß. Er hatte einen Zeitungsbericht gelesen, findet das Projekt prima und spendete 5€. Besten Dank!
- seltsame Spiele in Lübeck -
In Lübeck angekommen, machte ich mich erstmal auf die Suche nach dem Holstentor. Obwohl ich keinen 50 DM-Schein dabei hatte, war es leicht zu finden. Für die < 20jährigen: Es gab mal konkret eine "Fumfsischmackschein" mit den Tor hinten drauf.
Ich weiß, ich weiß, die kleine Sprachakrobatik ist politisch nicht korrekt und wird hiermit offiziell getadelt!
Am Holstentor angekommen, fielen mir bei strahlendem Sonnenschein zwei Spielegruppen auf. Die eine Gruppe spielte Boule. Das Spiel kannte ich, da hat man drei Eisenkugeln und einen kleinen Holzball. Der Holzball wird ca. 10m nach vorne geworfen und mit den Eisenkugeln versucht man vorbeiwandernde Touristen zu treffen. Oder so ähnlich.
Aber das andere Spiel hatte etwas Exotisches. Vor einer Gruppe von vier Spielern steckten vier Kanthölzer im Boden. Jeder Spieler hatte drei 30cm lange Rundhölzer in der Hand, mit denen sie versuchten - ja, ich weiß nicht - irgendwas zu treffen. Wenn die gegnerischen Kanthölzer das Ziel sein sollten, hatte ich da wohl einen "Schmelztiegel" voll ausgewählt talentfreier Sportsleute vor mir. Ein anderes Ziel war aber so spontan auch nicht auszumachen. Vielleicht waren das ja alles Quantenphysiker und hatten als Wurfziel einen Zeitkrümmungsschnittpunkt in der 6. Dimension des hexagonalen Raum-Zeit-Kontinuums ausgewählt. Wäre möglich. Man weiß es nicht...
- nette Spiele in der Buchhandlung -
Kommen wir zu leichteren Dingen. Beim Durchstreifen der Innenstadt fiel mir - nachdem ich sechs leckere Niederegger-Marzipanpralinen getestet hatte - eine nette Buchhandlung auf, die zu einem Besuch einlud. Sofort kletterte mein nerviges kleines Teufelchen auf die linke Schulter und flüsterte mir ins Ohr: "Finger weg von den Büchern. Wer soll die denn schleppen?!" Da hatte er grundsätzlich Recht. Also nahm ich mir kein Andenken mit, sondern ließ eines da. Ich habe hochgradig illegalerweise drei Visitenkarten in drei Bücher versteckt. Das waren: Dieter Nuhr "Der ultimative Ratgeber für alles", Goethe "Faust" und Diana Gabaldon "Ferne Ufer". Mal sehen, wer sich die Bücher kauft und dann so eine komische Visitenkarte findet. Hat ein bißchen was von "Flaschenpost". :-)
- Zu Gast beim Schüler, Heinz -
Um 18:00 Uhr traf ich mich mit meinem heutigen Gastgeber, Heinz Schüler. Der agile Mitsiebziger hatte, wie viele andere, den Bericht im Lübecker Nachrichten Journal am Sonntag gelesen und mir eine nette Email geschickt.
Wir machten eine kurze Sightseeingtour mit dem Auto durch Lübeck und er gab die ein oder andere Anekdote zum Besten. Da seine Frau noch auf einem Ausflug war, sind wir mal eben beim Italiener um die Ecke eine Pizza essen gegangen. Herr Schüler ist seit ca. 300 Jahren SPD-Mitglied und hatte somit auch ein paar neckende Bemerkungen für die CDU-Delegation am Nachbartisch. Man kennt sich halt...
Für jahrzehntelanges soziales Engagement ist ihm sogar das Bundesverdienstkreuz verliehen worden. Aber immer schön bescheiden geblieben.
Spruch des Tages (heute von Heinz Schüler): Bei der Wahl des Altersruhesitzes kommt es auf die wichtigen drei A's an: Arzt, Apotheke und ALDI.
* 97. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 07.07.2011 *
Strecke: Lübeck --> Ratzeburg (17km) / Gesamtstrecke: 1312km
Dauer: ca. 4h / Google Maps 97. Etappe
- Stadtführung durchs alte Lübeck -
Für heute Vormittag machte Herr Schüler den Vorschlag, noch eine Runde durch die Stadt zu drehen und mir einige versteckte Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Wir fingen beim "Hellgrünen Gang" an. Wie sein großer Bruder, der "Dunlelgrüne Gang", gehört er zu einem Kleinbürgerviertel zwischen Engelswisch und Untertrave. Hier führt der schmale Weg in ein Gewirr aus Gässchen, Innenhöfen oder scheinbaren Sackgassen, mit versteckten Ausgängen. Sehr charmant. Zur Stärkung gab es dann ein Bierchen in der "Schiffergesellschaft", wo früher die Kapitäne einen "Klönschnack" gehalten haben. Wohlgemerkt nur Kapitäne mit dem "Schiffspatent für Große Fahrt". Man sitzt in einem phantastisch mit Holz ausgekleideten Raum, von dessen kunstvoll bemalter Decke etliche große Schiffsmodelle hängen. Das sind alles "Mitbringsel" von früheren Fahrten und wurden häufig von den Bootsleuten aus Langeweile gebastelt. Ich habe irgendwie drauf gewartet, daß der Störtebeker, Klaus in den Schankraum poltert und lautstark nach Rum ersucht. Großartige Atmosphäre!
Dann haben wir noch auf einen Sprung beim Heilig-Geist-Hospital vorbeigeschaut. Das ist ein schönes Gebäude aus dem 13. Jahrhundert (!) und damit eine der ältesten Sozialeinrichtungen Europas. Im frühen 19. Jahrhundert wurden kleine Kammern eingerichtet und als Altersheim genutzt. Obwohl die Räumchen nur etwa die Grösse eines Doppelbettes hatten, waren sie bis zur Schließung des Heimes sehr begehrt. Man war nicht allein und mitten in der Stadt.
- Am See entlang -
Der Weg zu meiner heutigen Gastgeberin Andrea verlief schön am See entlang. Das Wetter war angenehm warm. So weit, so gut. Wer mir etwas auf den Zeiger ging, waren meine Begleiter. Eine Horde gefährlicher ostafrikanischer Peitschenschwanzmoskitos, die wohl zur Zeit am Ratzeburger See Urlaub machten, hatte es auf das Blut des Wanderers abgesehen. Aber nicht mit mir. Der erste Versuch, dem Angriff mit einem zackigen Stechschritt zu entkommen, mußte mangels Erfolg und Puste wieder abgebrochen werden. Erst schweres Kaliber (Absingen einiger plattdeutscher Seemannslieder) schlug sie in die Fluch. Es könnte sein, daß ich damit gegen div. Artenschutzabkommen verstieß. Aber im Krieg und in der Liebe sind bekanntlich alle Mittel recht.
- Leckerchen vom Grill -
Andrea, die übrigens ein erfolgreiches Finanzberatungs- und Immobilienfinanzierungsunternehmen leitet (www.amen-finanzpartner.de), hatte für den Abend einige Freunde eingeladen und den Grill angeworfen. Da saßen wir dann noch lange zusammen, genossen das köstliche Grillgut und plauderten. Stechmücken waren keine eingeladen.
* 98. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 08.07.2011 *
Strecke: Ratzeburg --> Gadebusch (25km) / Gesamtstrecke: 1337m
Dauer: ca. 6h / Google Maps 98. Etappe
- Auf geht's in den wilden Osten -
Heute ging es über die Landesgrenze nach Mecklenburg Vorpommern. Damit habe ich schon das achte Bundesland zu Fuß erreicht. Schönen Dank an alle, die mich bis hierher unterstützt haben. Andrea begleitete mich mit Hund noch eine Stecke am See entlang. Das Wetter war anfangs prima, später allerdings verdüsterte sich der Himmel. Zu meinem Glück lief ich dem Regen immer schön voraus und kam trockenen Fußes bei meinen Gastgebern Brigitte Kessin und Jürgen Knauf an.
- Die "Frühaufsteher"-Hörer von NDR 1 Radio MV - Zu Brigitte und Jürgen bin ich durch eine spontane Aktion des NDR gekommen. Um kurz vor sieben kam ein Anruf vom Sender, ich sollte mal kurz erzählen, was ich mache. Da mir auch noch Gastgeber für Gadebusch und Schwerin fehlten, schnitt ich das Thema mal eben an. Der erste Effekt war ein tolles Angebot direkt vom NDR, im Sendegebäude in Schwerin zu nächtigen (Na, hervorragend!) und dann kam noch wenig später das Angebot von Brigitte und Jürgen für Gadebusch. Da hört also wirklich jemand Radio um die Zeit.
- Gadebusch -
Der Empfang von den beiden war sehr herzlich. Jürgen hatte ein Süppchen gekocht und wir lernten uns kennen. Später haben mich die beiden noch ein wenig durch den Ort geführt und einiges zu erzählen gehabt.
* 99. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 09.07.2011 *
Strecke: Gadebusch --> Schwerin (24km) / Gesamtstrecke: 1361km
Dauer: ca. 6h / Google Maps 99. Etappe
- Es zog sich hin -
Die heutige Etappe zog sich in der Tat hin und ich war froh, am Schweriner Schloß angekommen zu sein. Dieses "Wochendhäuschen" ist schon sehr imposant. Es liegt wunderschön auf einer Halbinsel im Schweriner See. Hier trifft sich der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Einen glanzvolleren Landtagssitz kann ich mir so spontan nicht vorstellen. Er kam auch so richtig durch den strahlenden Sonnenschein zur Geltung. Viel Zeit zum Anschauen war allerdings nicht, ich war ja mit meinem heutigen Gastgeber, dem NDR, verabredet. Die haben vor einigen Jahren ein neues Gebäude direkt am See bezogen und dort wartete ein Räumchen auf mich, der normalerweise als Ruheraum genutzt wird. Ich hatte die ganze Zeit über mit dem Redakteur Oliver "Hans-Dampf-allen-Gassen" Jochmann zutun. Ein voller Typ. Er zeigte mir das Gebäude und wir besprachen den morgigen Radiobericht. Es war nämlich geplant, während der Sendung am Sonntagmorgen immer wieder von der Tour zu erzählen. Es ist schon beeindruckend gewesen, mal hinter die Kulissen zu schauen. Da gibt es sehr viel vor- und nachzuarbeiten. Für spontane Aktionen und Reaktionen müssen die Jungs und Mädels schon auf Draht sein.
- Stadt, See, Fußball -
Abends drehte ich noch mal eine Runde durch die wirklich schöne Altstadt, genoß ein Bierchen und sprang in den See. Ich hatte ja heute seit langem mal wieder die Möglichkeit, auf einem Megabildschirm (im Funkhaus) Fußball zu schauen. Die deutschen Damen sollten die Japanerinnen ja eigentlich mit einer satten Packung nach Hause schicken. Und was war? Nix war's! Genug gelaufen sind sie eigentlich. Damit kenn' ich mich ja aus.
* 100. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 10.07.2011 *
Strecke: Schwerin --> Wismar (32km) / Gesamtstrecke: 1393km
Dauer: ca. 7,5h / Google Maps 100. Etappe
- Guten Morgen, Sie hören NDR 1 -
Um 8:30 Uhr kam Oliver mit dem Frühstück und wir richteten uns zunächst mal in den Redaktionsräumen ein Frühstücksbuffet her. In der Stunde zwischen 9:00 - 10:00 Uhr moderierte Kerstin Suhrbier, eine eloquente "Berliner Pflanze" und wir besprachen den Programmablauf.
Die Sendung ansich war recht locker und entspannt. Hat Spaß gemacht. Währenddessen rief ein gewisser Herr Ackermann aus Frankfurt im Sender an. Er würde ein großes Unternehmen leiten und hat sich mal eben entschlossen, die Spendensumme auf 100.000€ klarzustellen. Und dann hat sich noch so ein Herr Scheute oder Schäuble aus Berlin gemeldet. Er könne die Spendenprojekte in der nächsten Haushaltsplanung mit ein-, zwei Milliarden berücksichtigen. Er bräuchte aber eine Spendenquittung.
Schön wär's.
Einen prima Nebeneffekt hatte der Radiobericht auch noch. Ich erwähnte, daß noch kein Gastgeber in Wismar gefunden ist und Stefan - auch ein Redakteur-Tausendsassa - fand für mich eine Bleibe in der örtlichen Jugendherberge. Ich verabschiedete mich von allen herzlich, dankte besonders Oliver für sein Engagement und schulterte wieder meinen Rucksack. Netterweise hatte Kerstin auch gerade Feierabend und so begleitete sie mich noch ein Stückchen auf meiner 100sten Etappe.
- Nachdenkliches -
Auf dem Weg nach Norden kam ich stellenweise in so einen Lauf-Flow. Alles fühlte sich intensiver an, ein angenehmer Geruch lag in der Luft. Mir kam ein Zitat von Jakob Jaworski in den Sinn:
"Eine andere Art von Freiheit setzte sich zu diesem Zeitpunkt langsam in meinem Bewusstsein fest. Weit unter der Oberfläche. Die Freiheit, meine Lebensaufgabe mit aller Hingabe zu erfüllen, derer ich fähig war, während ich gleichzeitig den kreativen Kräften des Lebens gestattete, durch mich hindurch zu fließen, ohne daß ich versuchte, Kontrolle auszuüben oder dafür zu sorgen, daß etwas geschah." That's it!
* 101. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 11.07.2011 *
Strecke: Wismar --> Neubukow (22km) / Gesamtstrecke: 1415km
Dauer: ca. 5,5h / Google Maps 101. Etappe
- Moskito-Massaker-Munition -
Bevor ich mich wieder durch die Wälder Loriens, entlang des Brandywein-Flusses in Richtung Bruchtal aufmachte [Zur Info: Es macht wenig Sinn, diese Orte bei google maps zu suchen :-)], mußten neue, wirkungsvollere Waffen besorgt werden. Deshalb begab ich mich flux in die Tourismuszentrale in Wismar und ließ mir etwas Passendes gegen Stechmücken empfehlen. Die angesprochene, charmante Mitarbeiterin grinste wissend und empfahl mir NUR das Spray von Rossmann gegenüber zu nehmen. Angst und Schrecken wird es unter den Mückevölkern verbreiten (zugegeben, sie hat es etwas weniger pathetisch formuliert). Damit ausgestattet, ging es wieder "on the road".
- Wettervorhersagen und wozu sie noch taugen -
Zu meiner heutigen Gastgeberin Fr. Mohr, kam ich auch recht ungewöhnlich. Der NDR rief mich um kurz vor 8:00 Uhr an, damit ich schön live eine Wettermeldung für Wismar durchgebe. Kurzes Geplauder, wie die Wanderei heute weiter geht und ich erwähnte, daß mir noch ein Gastgeber für Neubukow fehlt. 10 min später meldet sich Oliver Jochmann vom NDR und gibt mir die Adresse von Frau Mohr durch. Sie hatte die Wettermeldung gehört und lädt mich ein. Fein! Es war recht warm für's Wandern, aber ich kam zügig voran.
In Neubukow wartete die Familie Mohr schon mit dem "angeschmissenen" Grill. Sie hatten auch noch andere Feriengäste in ihrer kleinen Pension und es wurde ein netter Abend.
* 102. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 12.07.2011 *
Strecke: Neubukow --> Bad Doberan (16km) / Gesamtstrecke: 1431km
Dauer: ca. 4h / Google Maps 102. Etappe
- Müdigkeit -
Heute hätte ich mal eben bis Mittag schlafen können. Den ganzen Vormittag über bin ich nicht
richtig wach geworden. Das Wetter war allerdings hervorragend. Der Weg ging durch die Felder
und teilweise an der Landstraße entlang. Nicht sonderlich spektakulär.
- Mit der Molly nach Heiligendamm -
In Bad Doberan hatte ich noch etwas Zeit bis zum Treffen mit meinem heutigen Gastgeber, Rolf Hause. Da bot es sich an, eine kleine Spritztour mit der Molly, einer historischen Schmalspureisenbahn, nach Heiligendamm zu machen. Schon aus der Ferne hörte man das Schnaufen der Dampflok und mit einem lauten Signalpfiff kündigte sie ihr Kommen an. Netterweise war nicht viel Touri-Betrieb und so war es eine entspannte 15minütige Fahrt in den
bekannten Badeort an der Ostsee.
Vom Bahnhof aus läuft man 10min zum Strand. Ein langer, weißer Sandstreifen breitet sich vor einem aus.
Ein wunderbare Anblick bei strahlendem Sonnenschein. Ich fand ein ruhiges Eckchen, stellte meine Sachen ab und sprang mal zur Abkühlung in die Fluten. Etwas kühl, aber erfrischend.
Zu meiner Verwunderung war die lange Seebrücke des ältesten Seebadeortes Deutschlands fast leer und so saß ich noch eine Stunde an der vordersten Kante, genoß den Blick auf's Meer und ließ mir ein Zigärrchen schmecken.
- Bruchbuden am Strand -
Was ich sehr verwunderlich fand, war der Zustand fast aller ehemals prachtvollen Villen in Strandnähe. Der Putz blätterte ab, teilweise eingeworfene Fenster, alle leerstehend. Unglaublich!
Fast unwirklich wirkten daneben die strahlendweißen Gebäude, die damals für den G8-Gipfel 2007 hergerichtet wurden. Da hat wohl das Kleingeld nicht mehr gereicht. Mit der Molly ging's dann wieder zurück nach Bad Doberan. Dort traf ich dann den alten Seebären Rolf Hause.
- Auf dem Schiff und in den Wanderschuhen zuhause - Rolf hatte mich aufgrund eines Zeitungsartikels angeschrieben. Er ist ein richtiger Naturmensch, der die meisten Strecken zu Fuß geht und als Wanderer einen Kollegen (mich) unterstützen wollte. Der gebürtige Thüringer fuhr zu DDR-Zeiten lange zur See und ist auch heute noch häufig mit großen Segelschiffen auf dem Meer. So gehört er beispielsweise zur Segelcrew von Joey Kellys Dreimast-Bramsegelschoners Santa Barbara Anna. Ein ganz liebenswürdiger "bunter Hund", der schon viel von der Welt gesehen und viel erzählen hat. Spannend!
* 103. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 13.07.2011 *
Strecke: Bad Doberan --> Rostock (15km) / Gesamtstrecke: 1446km
Dauer: ca. 3,5h / Google Maps 103. Etappe
- Seemannsfrühstück -
Nach dem Aufwachen in Rolf gemütlicher Wohnung fiel mein Blick zuerst wieder auf die zahlreichen Schiffsmodelle, die er selbst gebaut hat. Man erwartet unwillkürlich, durch eine Schiffssirene zum Frühstück gerufen zu werden. Ließ Käpt'n Hause aber dankenswerterweise bleiben.
Man merkte, daß er häufig bei seinen Segelturns Herr in der Kombüse war, denn da stand dann schnell ein leckeres Frühstück mit Rührei, Schinken, etc. auf dem Tisch. War lecker, Chef.
- Zwei Wanderer in Rostock -
Geplant war für heute Folgendes: Rolf begleitet mich nach Rostock, zeigt mir die Stadt, abends gehen wir mit seiner Lebensgefährtin Hanne zum Essen. Übernachten werden wir im Schrebergarten von Hanne. Sauber, los geht's. Bis kurz vor Rostock blieb alles trocken und Rolf hat reichlich Seemannsgarn gesponnen, d. h. viele Geschichten erzählt, die NATÜRLICH alle wahr waren. ;-) Dann kamen wir leider in einen Regenschauer und die Ponchos mußten übergezogen werden. Ab da war die Unterhaltungsmöglichkeit etwas eingeschränkt und wir wanderten ruhig und gleichmäßig hintereinander her (die Wege waren etwas schmal).
Rostock selbst gefiel mir auf den ersten Blick sehr gut. Es war trubelig in der Innenstadt und es gab viel zu sehen. Die Rucksäcke liessen wir bei Rolfs Sohn Ali, der im Physikalischen Institut als Dozent arbeitet. Ein sympathischer Bursche, der einem eher wie ein entspannter Physikstudent vorkommt. Muß aber eine echte Koryphäe auf meinem Fachgebiet sein. RESCHPEKT!
- Santa Barbara Anna -
Nach dem Verzehr einer leckere Bratwurst (frisch aus den heimischen Gewässern) zeigte mir Rolf das Hafengebiet. In jedem zweiten Satz kam vor: "...die Santa Barbara liegt ja leider im Moment nicht in Rostock. Die hätte ich Dir gerne gezeigt." Als wir dann an einer ganzen Reihe von Lotsen-, Eisbrecher- und Segelschiffen vorbeigelaufen sind, strahlt Rolf auf einmal von einem Ohr zum anderen. Da lag sie, die Santa Barbara Anna. Ein schöner Dreimast-Bramsegelschoner. Der Eigner ist ein gewisser Joey Kelly. Mit diesem Schiff ist die komplette Kelly Family vor gefühlten 100 Jahren die Küsten entlang geschippert.
Wir sind mal eben an Bord gegangen, obwohl kein Besatzungsmitglieder da war. Aber Rolf kennt sich ja aus. Für ein nettes Foto, auf einem Kasten am Bug sitzend, sprang ich locker-flockig auf selbigen. Dummerweise kam ich mit dem rechten Fuß an die Betätigung der Ankerwinde. Ratternd wurde der Anker ein Stück nach oben gezogen und Rolf sprintete herüber, um "dat Dinge" wieder auszuschalten. Da hätte ich beinahe das Böötchen geschrottet.
- Abendausklang im Schrebergarten -
Später komplettierten wir das Trio, indem Hanne mit dazu kam. Wir gingen schön gutbürgerlich essen und machten uns später das nette Schrebergartenhäuschen gemütlich. Das Wetter hat ja bis jetzt gehalten (entgegen örtlicher Wettervorhersagen). Mal sehen, wie es in der Nacht aussieht.
* 104. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 14.07.2011 *
Strecke: Rostock --> Graal-Müritz (17km) / Gesamtstrecke: 1463km
Dauer: ca. 4h / Google Maps 104. Etappe
- Nachtstürme -
Also grundsätzlich habe ich ja einen guten Schlaf, aus dem mich nicht jedes Geräusch aufschrecken lässt. Aber in dieser Nacht hat es in Rostock mal so richtig gestürmt. Auch ordentlich Regen war dabei. Also alles, auf das man beim Wandern gerne verzichtet. Der Wettergott hatte dann auch ein Einsehen und liess es bis zum heutigen Start wieder trocknen.
- Mit der Fähre nach Warnemünde -
Rolf, der mich ja auf der heutigen Etappe nach Graal-Müritz begleitete, machte den wunderbaren Vorschlag, bis nach Warnemünde mit der Fähre zu fahren. Von dort sollte es dann, zu Fuss schön am Strand entlang, ins traditionsreiche Seebad gehen.
Die Überfahrt war eine interessante Sache, allerdings erst, als wir uns einen schönen Platz am Bug gesichert hatten. Das war nicht so einfach, weil sich mit uns eine rüstige Rentnertruppe an Bord begab. Alter Schwede, die wussten, wie man beim Schlangestehen schummelt. "Geh'n Sie mal zur Seite, junger Mann. Ja, Sie mit dem Rucksack..." :-) Da aber die älteren Herrschaften ungern im zugigen Wind sitzen, waren wir vorne dann fast allein. Der Käpt'n gab nette Geschichten und Hinweise zu den Bauwerken links und rechts des Ufers zum Besten. Alles mit einem staubtrockenen Humor unterlegt. Hat Spaß gemacht.
- Durch den Wald mit Hinternissen -
Nachdem wir uns mit einer frisch geangelten Currywurst für die Etappe gestärkt hatten, ging es los. Mit Rolf zu wandern war angenehm, da er zum einen mit seinen 67 Jahren noch richtig fit ist (das ist ja nicht selbstverständlich) und wir ein ähnliches Tempo bevorzugten. Außerdem war es unproblematisch, auch mal nichts zu sagen (auch nicht selbstverständlich).
Ganz geradlinig ging der Weg nicht nach GM, da die nächtlichen Regenstürme ihre "Visitenkarte" hinterlassen hatten. Wir hatten uns einen ansich gut angelegten Weg durch ein Moorgebiet ausgesucht. Zwischendrin hatte sich der Boden ein wenig abgesenkt und in diesen Kuhlen stand das Wasser. Da nicht einzuschätzen war, wie tief diese Kuhlen waren und wir am Ende einen halben Meter im Wasser stehn, hieß es Umkehren.
Die Alternativstrecke durch den Wald war dann schon schön abgetrocknet und es ließ sich gut laufen.
- Graal-Müritz -
Für mein heutiges Etappenziel hatten wieder meine Freunde vom NDR für einen Gastgeber gesorgt. Diesmal sollte es das Gemeindehaus sein, in dem auch eine kleine Wohnung eingerichtet ist. Herr Haverkamp und seine Frau erwarteten mich schon und zeigten mir die Räumlichkeiten.
Vorher galt es noch, sich von "Seebär" Rolf zu verabschieden. Er fuhr mit der Bahn zurück nach Rostock. Für ihn geht es ab Wochenende auch auf große Wanderschaft und zwar entlang der Mecklenburger Seenplatte. Da komme ich ja auch noch durch.
Zum "Tag-ausklingen-lassen" bot sich noch ein kleiner Spaziergang zur weit ins Meer hineinführenden Seebrücke an. Es war ruhig, einige Angler versuchten ihr Glück und ein paar Nachtschwärmer waren auch unterwegs. Tolle Atmosphäre.
- Sprüche des Tages -
Rolf haute heute einige Male so staubtrockene Bemerkungen raus. Z. B. hörten wir bei der Walddurchquerung eine gut befahrene Straße in der Nähe. Ein, zwei Biker drehten ihre Maschinen mal richtig auf. Rolf dazu: "Da kommen sie wieder, die Organspender..."
Oder, als wir uns Graal-Müritz näherten, machte er mich auf ein altes Forsthaus aufmerksam, daß unter Denkmalschutz stand und so aufgrund der Auflagen schwer verkäuflich war. Rolf: "Das haben die dann mal eben warm saniert... (soll heißen: abgefackelt)". Kannte ich so auch noch nicht, den Begriff.
* 105. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 15.07.2011 *
Strecke: Graal-Müritz --> Dierhagen (7km) / Gesamtstrecke: 1470km
Dauer: ca. 2h / Google Maps 105. Etappe
- Entspannt am Strand (entlang) -
Die heutige Etappe war nicht lang und ließ sich wunderbar laufen. Entweder an der Düneninnenseite mit Meeresrauschen im Hintergrund, durch ein wunderbar duftendes Nadelwaldstück oder durch ein puppendörfliches Reetdachhausviertel - schön abwechslungsreich.
Auch mit dem Wetter hatte ich Glück. Zu regnen begann es erst, als ich in Dierhagen angekommen bin. Das ganze Darß-Gebiet hier oben ist ein sehr schönes Eckchen zum Urlaub machen und auch zum Durchwandern. Ich bin hier auch wieder sehr freundlich aufgenommen worden. Allerdings wurde mir, glaube ich, noch nie so schnell das Zimmer gezeigt und die Schlüssel in die Hand gedrückt. :-) Der gute Herr Fellmann ist hier Kurdirektor und war etwas in Eile. Er hat noch einiges wegen der morgen stattfindenden Zeesenbootregatta zu erledigen. Da gibt es dann auch ein Piratenfest für die Kids, auf dem ich dann ein wenig "Seemannsgarn" von meiner Tour spinnen soll. Wird bestimmt lustig.
* 106. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 16.07.2011 *
Ruhetag: Dierhagen / Gesamtstrecke: 1470km
- sonniges Dierhagen -
Im Gegensatz zu gestern, strahlte heute den ganzen Tag über die Sonne. Es empfahl sich, vor dem Piratenfest einen Abstecher ans und ins Wasser zu machen. Sehr erfrischend.
Dierhagen ist ein ziemlich langezogender Badeort am Darß, sodaß von meiner Unterkunft bei Familie Fellmann noch ein 2,5 km langer Spaziergang zum Hafen nötig war, wo heute die 24. Dierhäger Zeesenbootregatta nebst Piratenfest stattfand.
- Zeesenboote -
An den Zeesenbootfahrten nehmen nur diese ganz speziellen alten Fischerboote aus der Boddenregion teil. Sie sind alle sehr liebevoll restauriert und instandgehalten worden. Das Markenzeichen sind die rostbraunen Segel. Das war die Farbe der Fischer. Dazu wurden die Segel mit Blut und Tran getränkt. Als Zeesen werden hier die Fangnetze bezeichnet. Ein sehr schönes Bild bot sich den zahlreichen Zuschauern, als die Boote zur Regatta den Hafen verließen. Es war recht viel los, wenn man bedenkt, daß bei diesem schönen Wetter ein Sprung ins kühle Nass mindestens genauso reizvoll war.
- Piratenfest -
Neben diversen anderen Rahmenprogrammen fand auch das alljährliche Piratenfest statt. Der Jugendförderverein Dierhagen hat sich da sehr viel Mühe gegeben, den Kids abwechslungsreich Spaß und Spiel anzubieten. Das merkte man den Kiddies auch an. Im Vorfeld hatte die Vorsitzende Bärbel Wellinghorst mit mir Kontakt aufgenommen und angeboten, den heutigen Erlös aus der Regattawette in meine Spendenbüchse zu stecken. Das hat mich sehr gefreut. Ehrensache, daß ich da vorort war, viel erzählte und Fragen beantwortete. Da das Fest bis in den späten Nachmittag hinein dauerte, wäre ein Weiterwandern heute etwas schwierig geworden. Netterweise gewährte mir Herr Fellmann auch für heute Asyl. Ganz herzlichen Dank.
* 107. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 17.07.2011 *
Strecke: Dierhagen --> Fuhlendorf (24 km) / Gesamtstrecke: 1494 km
Dauer: ca. 6h / Google Maps 107. Etappe
- Am Darß entlang -
Ausgeschlafen und gut gelaunt, ging es heute Richtung Wieck an der schalten Stelle am Darß entlang. Es regnete ganz leicht, war aber nicht unangenehm. Viele Familien nutzten den Sonntag für eine Fahrradtour. Für einen Sprung ins Meer war es eigentlich zu kühl.
Für heute hatte sich noch kein Gastgeber gefunden und so lief ich mal wieder ins Blaue hinein, gespannt was sich noch so ergibt. Zwischendurch kam auch mal die Sonne raus. Ein wirklich schöner Landstrich hier am Darß.
- Die Darßer Arche in Wieck -
In Wieck erwartete mich eine Einladung zum Kaffee in der Darßer Arche. Andrea Bütow, von der Kur- und Tourist-GmbH in Wieck, hatte einen Bericht gelesen und mich eingeladen. Leider konnte sie keine Übernachtungsmöglichkeit vermitteln, da alles ausgebucht war. Dafür hatten wir eine nettes Gespräch bei Kaffee und Kuchen.
- Flexible Leutchen am Boddener Ferienpark -
Am späten Nachmittag zog sich der Himmel bedrohlich zu und ich mußte mir eine Lösung für mein heutiges Nachtlager überlegen. Da die morgige Unterkunft im Boddener Ferienpark in Fuhlendorf bereits gesichert war, fragte ich mal eben nach, ob ich heute schon kommen könnte. Sehr entspannt wurde das bejaht und die nette Frau Bütow fuhr mich dort vorbei. Die Strecke wäre zum Laufen zu weit gewesen.
Der Ferienpark ist ein großes Areal mit lauter schmucken Häuschen. Es wird viel Freizeitaktivität angeboten (QUAD-Fahren, Kite-Surfen, etc.) Den Chef, ein rühriger Kölner, lernte ich noch nicht kennen, aber seine Frau Alice nahm mich sehr herzlich in Empfang. Morgen schaue ich mir das Gelände mal genauer an.
* 108. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 18.07.2011*
Sightseeing am Bodden in Fuhlendorf / Gesamtstrecke: 1494 km
- Die Bobbycar-Queen vom Boddener Ferienpark -
Was soll ich sagen? Und wieder bin ich bei außergewöhnlichen Gastgebern mit interessanten Hobbies gelandet. Alice ist begeisterte BOBBYCAR-Rennfahrerin. Genau, ihr habt richtig gelesen. Das sind die kleinen roten "Plastik-Rutschbretter" von BIG. Allerdings hat das Renncar nicht mehr so wahnsinnig viel mit dem Original gemeinsam. Die Lackierung ist an die letzten BMW Formel 1-Rennwagen angelehnt. Dieses Wahnsinnsteil wiegt 38kg. Unglaublich, was da an Tüfteleien in Reifen, Felgen oder Chassis drin stecken. Der Sitz wurde extra für Alice angefertigt. Und auf diesen Raketen rauschen die Bekloppten dann mit bis zu 100 Sachen die Berge runter. Die Bilder und das Filmchen werden demnächst online gestellt.
- Ein Ferienpark mit Potential -
Abends haben mir Alice, Harry und Tochter Svenja beim "Griechen" mal erzählt, wie sie ihren Traum vom eigenen Ferienpark verwirklicht haben. Das paßt wieder so ins Bild. All die Geschichten von verwirklichen Visionen, die ich auf der Tour hören durfte, ähneln sich stark. Natürlich gab es im Vorfeld haufenweise Bedenkenträger, die genau wußten, daß die drei Kölner mit ihrem Projekt scheitern. Dann gab es viele Neider hier vorort, die ständig versuchten "Knüppel" zwischen die Beine zu werfen. Sie blieben aber auf ihrem "Kurs" und das hat sich gelohnt.
Wenn man sich anschaut, was diese positiven Kreativlinge hier alles auf die Beine gestellt haben, ist das schon sehr beeindruckend. Ich kann nur empfehlen, macht hier einfach mal Urlaub in dieser wunderschönen Ecke (www.boddener-ferienpark.de).
- Zu Gast im Walfischhaus -
Tagsüber stand eine kleine Rundtour am Darß auf dem Programm. Im Restaurant "Walfischhaus" in Born durfte ich einen sehr leckeren Wildlachs testen. Die nette Frau Hugo hat sich vor einigen Tagen aufgrund eines Artikels gemeldet und eine Wandermahlzeit in Aussicht gestellt. Prima Sache. Das Lokal liegt sehr schön direkt am Hafen und das Ambiente paßte hervorragend zur verzehrten "Gaumenfreude".
- Mit dem Schiff auf dem Bodden -
Für den Weg zurück nach Fuhlendorf habe ich mir ein passendes Transportmittel ausgesucht. In Prerow startete "MS Heidi" zur 1,5h-Fahrt den Prerow-Strom entlang und durch den Bodstedter Bodden bis nach Fuhlendorf. Das Wetter war hervorragend. Auch eine echte Empfehlung für jeden Darß-Besucher.
- Spruch des Tages -
Beim Anlanden im Hafen von Fuhlendorf stand vor mir ein vielleicht 10jähriger Junge, der draußen am Steg einen etwa gleichaltrigen Burschen entdeckte. Er zupfte seinen Vater am Ärmel und sagte: "Papa guck mal, der sieht aus wie das SAMS." Also, das ist jetzt vielleicht politisch nicht korrekt, aber da hatte er voll ins Schwarze getroffen. Der Kleene sah tatsächlich genauso aus. Ich war echt in Versuchung, mich vorzustellen ("Guten Tag, mein Name ist Herr Taschenbier"), ihm einen Taucheranzug anzuziehen und blaue Punkte ins Gesicht zu malen. Ich hab's dann aber gelassen. War ja auch kein Samstag.
* 110. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 20.07.2011 *
Sightseeing in Stralsund / Gesamtstrecke: 1520 km
- Vom Fernsehen ins Ozeaneum -
Nach dem Frühstück kamen Fanny und Matti vom Regionalfernsehen fas (Fernsehen am Strelasund) vorbei, um einen kleinen Bericht zu drehen. Das kleine Team von fas war mit viel Begeisterung dabei. Mal sehen, wie das Ergebnis ausfällt.
Am Nachmittag stand das bekannte Ozeaneum in Stralsund auf dem Programm. Ich hatte von einigen Leutchen im Vorfeld gehört, daß ich mir dieses spektakuläre Museum über alles, was im Ozean so kreucht und fleucht, nicht entgehen lassen sollte. Es hebt sich auch deutlich ab, von den historischen Bachsteinhäusern im Hafenviertel. Auf mehreren Stockwerken ist hier das Leben im Meer sehr anschaulich dargestellt. Es gibt viele große bis sehr große Aquarien. In einer Halle hängen ein Blauwal, ein Orca, ein Manta und ein Pottwal in Originalgröße von der Decke und es werden einem die enormen Größenunterschiede zum Menschen bewußt. Falls so ein Blauwal mal einen Schnupfen kriegt und einen wärmenden Schal braucht, müßte eine alte Frau schon lange dafür stricken...
Den Walen sagt man ja nach, eine hohe Intelligenz zu besitzen. Es gab aber auch - deutlich sichtbar - doofe Exemplare der "Fische und Fischardische..." [Wer kann mir sagen, aus welchem Film das ist? :-)]. Nehmen wir z. B. die steindumme Brasse. Im geräumigen Brassen-Aquarium tummelten sich so ca. 20 Stück. Eine hatte gerade etwas gefressen, das wie ein Stück Calamari aussah. Scheinbar entsprach dieser Happen nicht dem Geschmack unseres Freundes, denn er steckte sich mal eben die Flosse in den Hals und würgte alles wieder raus. Ein Brassen-Kumpel von ihm schwamm etwa einen Meter daneben und schnappte sich mit einem relativ drögen Gesichtsausdruck den Leckerbissen. Auch diesem verging der Appetit und er spuckte dieses "Wasauchimmer" wieder aus. Da spätestens sollte dem Rest der Gang ein Licht aufgehen: Sieht zwar lecker aus, schmeckt aber wohl richtig sch...
Aber weit gefehlt, die ganze Truppe war mal dran, rein zu beißen. Und als alle durch waren, fing unser Chefpilot vom Anfang wieder von vorne an. Reschpekt, sag ich da.
- Stralsund -
An sich ein nettes Städtchen, dieses Stralsund. In der Stadtmitte wurde schon kräftig für das anstehende Wallensteinfest aufgebaut. Da kann man nur wünschen, daß das Wetter hält. Es hätte sicher noch einige interessante Örtlichkeiten gegeben, die eine Besichtigung wert gewesen wären, aber so ein Tag ist einfach schnell vorbei.
* 111. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 21.07.2011 *
Strecke: Stralsund --> Riemserort (22 km) / Gesamtstrecke: 1542 km
Dauer: ca. 5h / Google Maps 111. Etappe
- Regenwetter -
Die heutige Etappe war relativ lang und relativ feucht. Wobei der Regen erst pünktlich mit meiner Ankunft in Riemserort deutlich an Intensität zunahm. Da aber richtig. Ich saß mit meinen Gastgebern Kersten und Joachim zum Grillen in einer gemütlichen Laube im Garten. Der Herr im Haus hatte ein Mammut geschossen und bestückte nun routiniert den Grill mit leckeren Fleischscheiben. Zu Besuch waren auch Frauke und Dirk aus der Nachbarschaft. Rund um die Laube wurde es immer stürmischer und wir suchten schließlich geschlossene Räumlichkeiten auf.
- Die gute und weniger gute alte Zeit -
Vor allem Joachim und Dirk hatten viele Geschichten parat, was sich seit der Wende so alles verändert hat und wie man sich in der guten, alten DDR bei vielen kleinen und großen Dingen hat helfen müssen. Da wurden Antennen gebaut, um West-Fernsehen empfangen zu können. Diverse elektrische Hilfsmittel, wie Rasenmäher oder Mixer, wurden ziemlich kreativ selbst hergestellt. Lustig und interessant.
* 112. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 22.07.2011 *
Strecke: Riemserort --> Greifswald (0 km) / Gesamtstrecke: 1542 km
- Wolkenbruch -
Es hatte die ganze Nacht durchgeregnet und auch heute wurde es nicht schwächer. Gottseidank hielt das Reetdach schön dicht, so konnten wir entspannt ein leckeres Frühstück einnehmen und überlegen, wie ich heute nach Greifswald komme. Eines war schnell klar, bei diesem Regen + Windböen von der Seite bringt auch mein Regencape nicht viel. Also haben mich Joachim und Kersten mit dem Auto nach Greifswald gefahren. Ich hoffe, von Euch nicht zu sehr den Kopf gewaschen zu bekommen.
- Ein philosophischer Abend -
Für den ersten Tag in Greifswald standen Julia und Thomas als Gastgeber bereit. Sie wohnen zentrumsnah in einem gemütlichen Haus und hatten seit gestern eine "Seenlandschaft" vor der Tür. Straße und Gehweg sind noch in einem post-sozialistischen Zustand, d. h. die Schlaglöcher waren satt mit Regenwasser gefüllt. Macht Spaß, wenn Autos vorbeifahren. Warum auch immer kamen wir schon beim Abendessen auf Themen, wie "Wie tickt die Welt?" oder "Leben nach dem Tod" oder "Bedeutung von Krankheitssymptomen" oder "Wieso heute und warum gerade ich?"
Es wurde ein schön philosophischer Abend, in dessen Verlauf wir - trotz eines guten Whiskys - keine Lösungen für die Probleme dieser Welt finden konnten. Aber wir haben uns wenigstens bemüht.
* 113. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 23.07.2011 *
Ruhetag in Greifswald / Gesamtstrecke: 1542 km
- Hallo again nach acht Jahren -
Für die nächsten beiden Tage sollte ich bei meinem alten Freund Gunnar und seiner reizenden Gattin Susanne Unterschlupf finden. Darauf habe ich mich besonders gefreut, da wir uns seit ewigen Zeiten nicht mehr gesehen haben. Netterweise holten mich beide in der Stadt ab, da es schon wieder zu regnen begann. Beim ersten prüfenden Blick durfte ich erstaunt feststellen, daß da einige Pfunde bei Gunnar gepurzelt sind. Er hat seine Ernährung umgestellt, läuft mehrmals pro Woche eine 10km-Runde und hat so nach eigener Aussage deutlich mehr Energie für die anstrengenden Kundentermine (Er ist sehr erfolgreich, als Finanz- und Wirtschaftsberater für Mediziner).
Aufgrund des miesen Wetters machte es wenig Sinn, draußen etwas zu unternehmen. Es wurde ein gemütlicher Erzähl-, Zuhör-, Lach- und Schlemm-Abend (Die beiden brachten sehr leckere Garnelen auf den Tisch).
* 114. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 24.07.2011 *
Ruhetag in Greifswald / Gesamtstrecke: 1542 km
- Sonne! Wo kommt die denn her? -
Ok, das sah heute Morgen mal um einiges fröhlicher draußen aus. Aus dem Tag ließ sich etwas machen. Da ich noch ein paar Dinge für die weitere Etappenplanung machen mußte, ließen wir die kleine Fahrradtour ausfallen. Paßt schon.
- Wallensteintage in Stralsund -
Gerade an diesem Wochenende fanden die historischen Wallensteintage in Stralsund statt. Am Samstag sind sie aber sowas von ins Wasser gefallen, aber heute sah das schon besser aus. In der Innenstadt sind zahlreiche historische Buden und Zelte aufgebaut, in denen Kaufleute, Bäcker, Schmiede und Handwerker in historischen Gewändern ihre Waren feilboten. Tolle Atmosphäre. Nebenbei wurde auf der Bühne ein Störenfried hingerichtet und Spielleute ließen ihre Instrumente erklingen. Das frisch gebackene Brot schmeckte lecker und auch das dunkle Bier war nicht "von schlechten Eltern". Schöne Sache.
* 115. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 25.07.2011 *
Strecke: Greifswald --> Kandelin (18 km) / Gesamtstrecke: 1560 km
Dauer: ca. 4h / Google Maps 115. Etappe
- Dank an Petrus -
Es hatte sich netterweise ausgeregnet. Ab heute verließ ich ja wieder die Ostsee-Region in Richtung Mecklenburger Seenplatte. Vorher verabschiedete ich mich noch in Ruhe von meinen Freunden Susanne und Gunnar. Ich hoffe, es dauert nicht wieder acht Jahre bis zum nächsten Wiedersehen.
- Außergewöhnliches auf den zweiten Blick -
Heute durfte ich bei gastfreundlichen Menschen in Kandelin mein müdes Haupt niederlegen. Silke und Dirk machten auf den ersten Blick zwar einen lockeren, aber "normalen" Eindruck. Silke ist Physiotherapeutin in der Greifswalder Klinik und Dirk hat eine Fahrschule. Aber schon nach wenigen Sätzen spürte man den enormen Lebenshunger der beiden. Es fiel häufig der Satz "Das kann's doch nicht schon gewesen sein...?!". Sie sind, wann immer es geht, mit dem Wohnmobil unterwegs, sind durch halb Europa gereist und haben viele Ideen, die vielleicht nur mal mit Gleichgesinnten etwas geordnet werden müßten. Da sie sich über diesen tiefen Wunsch nach einem neuen, erfüllenden Lebensabschnitt sehr wohl im Klaren sind und auch beide an einem Strang ziehen, braucht es - glaube ich - nur ein paar Funken Klarheit, um durchzustarten. Wir haben noch lange zusammen gesessen und über Erlebtes erzählt. Solche Begegnungen sind wunderbar.
* 116. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 26.07.2011 *
Strecke: Kandelin --> Verchen (23 km) / Gesamtstrecke: 1583 km
Dauer: ca. 6h / Google Maps 116. Etappe
- Überraschender Besuch im SOS-Kinderdorf -
Beim Frühstück hat mir meine Gastgeberin Silke von einem SOS-Kinderdorf in Grimmen-Hohenwieden erzählt, in dem sie später noch einkaufen möchte. Ich wußte gar nicht, das in dieser Gegend ein solches Dorf existiert. Da ja eines der Spendenprojekte meiner Deutschlandtour SOS-Kinderdorf ist, bin ich für einen Spontanbesuch mitgefahren. Dieses Dorf hier ist eine Lebens- und Arbeitsgemeinschaft von Erwachsenen, die eine Lernbeeinträchtigung aufweisen und regelmäßige Betreuung brauchen. Es gibt Werkstätten, einen Hofverkauf und es finden kulturelle Veranstaltungen statt. Alle Beteiligten sind mit viel Engagement und Begeisterung bei der Sache. Ich habe mich nicht groß vorher angekündigt, sondern bin einfach mal in der Verwaltung "Hallo" sagen gegangen. Der Empfang war sehr herzlich. Meine Wanderung durch Deutschland hat sich durch deren Intranet natürlich auch bis hierher herumgesprochen, es ist nur in der täglichen Arbeit hängen geblieben, mit mir Kontakt aufzunehmen. Der Leiter Ludger Möller, Silke und ich haben uns dann noch nett bei Kaffee und Kuchen unterhalten. Für mehr war leider keine Zeit mehr.
- Verchen am Kummerower See -
Bei strahlendem Sonnenschein (schöne Sache, nach den Regentagen) kam ich in Verchen an. Der heutige Gastgeber war die Gemeinde Verchen und organisiert wurde das von der rührigen Bürgermeisterin Petra Kasch. Verchen liegt traumhaft am See. Ein Stückchen lief ich am See entlang, um zu meiner Herberge, der "Aalbude" zu kommen. Vorher empfahl sie mir, noch einen kurzen Besuch im (sehr kleinen) örtlichen Kloster zu machen (Communität Christusbruderschaft Selbitz). Zwei Schwestern (zu meiner Schande hab' ich die Namen vergessen) luden mich zu einem kleinen Imbiss ein und wir hatten eine schön entspannte Unterhaltung.
- Organisationstalent Petra Kasch -
Abends besuchte mich noch einmal Frau Bürgermeisterin in der Aalbude. Wir genossen ein herzhaftes Bauernfrühstück, ich erzählte von den Tour-Erlebnissen und sie vom Leben hier am See. Sie macht das seit fast 20 Jahren ehrenamtlich und da ist mangels dick gefüllter Gemeindekasse Organisationstalent gefordert. Das bewies sie auch gleich, als sie den Landtagsabgeordneten Marc Reinhardt auf der Terrasse sitzen sah. Ich habe ihr vorher die noch offenen Etappenziele gezeigt und sie hat gleich mal ihre Connections genutzt. Netter Typ, der gleich mal die Spendenbüchse füllte und versprach, etwas für den Etappenort Krakow am See zu organisieren. Bin gespannt, ob was bei rumkommt.
* 117. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 27.07.2011 *
Strecke: Verchen --> Wolkwitz (15 km) / Gesamtstrecke: 1598 km
Dauer: ca. 4h / Google Maps 117. Etappe
- Wanderlust am Kummerower See -
Nachdem ich vormittags noch einen Pressetermin mit dem hiesigen Nordkurier hatte, ging es bei sommerlichen Temperaturen und strahlendblauem Himmel wieder auf die Piste. Auf Empfehlung schlug ich den Weg zum Naturlehrpfad ein und sollte nicht enttäuscht werden.
Von Verchen aus ging es, teils am Ufer teils auf Waldwegen, durch ein, dem Voralpenland ähnliches Gebiet. Deshalb heißt diese Ecke wohl auch Meckenburgische Schweiz. Eine hügelige, üppig bewachsene Naturlandschaft.
Zwischendurch erhielt ich eine Email von Marc Reinhardt, dem Landtagsabgeordneten, der bzgl. Übernachtung in Krakow nachfragen wollte. Alles geritzt, ein Kollege von ihm würde sich bei mir melden. Das tat dann auch Torsten Renz, mit der guten Nachricht, in Krakow am See Quartier nehmen zu dürfen. Ganz herzlichen Dank für diese tolle, spontane Unterstützung!
- Die Schweizer am Kumerower See -
In Sommersdorf, kurz vor meinem heutigen Etappenziel, gab es wieder so eine "zufällige" Begegnung, die man nicht planen kann. Ich lief an einem Haus vorbei, das auffällig mit vielen kleinen Fähnchen und einer großen Schweizer Flagge geschmückt war. Während ich mich noch wunderte, welche Eidgenossen hier wohl wohnen, hörte ich schon hinter einem Zaun in schönem, langsamen Schweizer Dialekt die Frage: "Sind Sie der Wanderer?"
Sonderlich häufig bin ich noch nicht direkt erkannt und angesprochen worden, aber da sich in letzter Zeit pressemäßig einiges getan hat, dachte ich mir schon, daß das zunehmen würde. Ich ging also zum Tor und lernte Rudi Imhof kennen. Er erzählte, daß er und seine Frau Ina mich im Prinzip erwartet hätten. Sie hatten vor einigen Wochen den NDR-Beitrag gehört, fanden ihn toll und hatten anhand der Etappen vermutet, daß ich an ihrem Haus vorbeilaufen würde. Rudi lud mich sehr herzlich zu einem frischen Glas Apfelsaft ein und beide erzählten mir ihre unglaubliche Geschichte.
Ina und Rudi hatten ganz normale Berufe in Bern und machten abundan Urlaub in der Meckenburgischen Schweiz. Da hatten sie hier in Sommersdorf ihren Wohnwagen und lernten Land und Leute kennen. Irgendwann fiel ihnen auf, daß es hier etliche Familien gibt, denen es wirtschaftlich sehr schlecht geht, die keine Arbeit finden und/oder Schicksalsschläge zu verkraften haben. Die beiden fingen an, unbürokratisch zu helfen. Sie sammelten Kleidungsstücke, Spielsachen, benötigte elektrische Geräte in ihrem schweizer Umfeld und brachten alles einmal pro Jahr nach Sommersdorf. Und sie merkten, daß sie hier etwas bewirken konnten.
Die beiden gläubigen Christen hatten dann vor ca. 5 Jahren das starke Gefühl, daß ihr Weg sie langfristig an den Kummerower See führt, um ihre bisherige kleine Hilfe zu erweitern. Sie trafen eine, für viele in ihrem schweizer Umfeld völlig bekloppte Entscheidung. Sie verkauften ihr Haus, kündigten ihre Arbeitsverträge und gingen mit Ende 50 in eine mehr als ungewisse Zukunft. Unnötig zu erwähnen, wieviele Bedenkenträger dringend anmahnten, diesen Quatsch zu lassen: Wovon wollt ihr leben? Warum wollt ihr gerade im reichen Deutschland so etwas machen? Die nutzen Euch aus! Usw, usw.
Wenn man sich mit Rudi und Ina unterhält, fällt auf, daß sie weder besonders "heilig" und christlich sendungsbewußt wirken, noch das sie irgendwie "nicht ganz bei Trost" sein könnten. Sie wissen genau, was sie wollen, kennen aber auch genauso die nachdenklichen, angstvollen Momente, ob das wohl alles gut geht. Sie fühlen, daß das hier ihr Weg ist, vertrauen auf die göttliche Führung und lassen sich vielleicht einen Tick weniger als andere von "Ja, aber..."-Argumenten beeinflussen. Nun unterstützen sie bereits seit 5 Jahren hier in der Region bedürftige Familien, sammeln Spenden und helfen, wo es eben Not tut. Bewundernswert! (siehe www.lichtfuermcpomm.ch).
Und dann erhielt ich abends von betterplace die Info, daß die beiden für meine Spendenprojekte 50€ überwiesen haben. Das fehlten mir echt die Worte...
- Der Ökohof in Wolkwitz -
Mit der Abendsonne im Rücken wanderte ich sehr leicht die letzten Kilometer zu meinem Etappenziel. Anke, Matthias und zwei Feriengäste nahmen mich in Empfang. Sie bewohnen und bewirtschaften einen Ökohof, backen hochwertiges Brot, haben eine Lohnmosterei und liefern Obst- und Gemüsekörbe an Kunden. Anke arbeitet auch noch Teilzeit in ihrem alten Beruf als Ärztin in Malchin. Wir verbrachten einen sehr schönen Abend mit viel Gesprächsstoff und dem Probieren des selbst gemachten Cidre.
* 118. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 28.07.2011 *
Strecke: Wolkwitz --> Teterow (24 km) / Gesamtstrecke: 1622 km
Dauer: ca. 6h / Google Maps 118. Etappe
- Angriff der Mörder-Hornissen -
Schon am Vormittag - und vor dem Frühstück! - mußte ich mein Leben gegen den Angriff (ganz sicher) geklonter, sowjetischer Killer-Hornissen verteidigen. Und das kam so:
Matthias, mein Gastgeber in Wolkwitz, ist schon sehr früh aufgestanden (4:00 Uhr), um Brot zu backen, das dann später über einen Biohändler verkauft werden sollte. Ich wollte mir das mal ansehen und ging kurz vor 8:00 Uhr zur Backstube. Sie ist in einem schönen, alten Backsteingebäude untergebracht. Den Backofen hat er selbst gebaut.
Als ich völlig unvorbereitet (leichtsinnigerweise lag mein Amazonas-Buschmesser und die abgesägte Wander-Schrotflinte noch im Zimmer) die Tür zur Backstube öffnen wollte, hörte ich ein tiefes Brummen über mir. Hunderte meerschweinchengroße Killer-Hornissen, in Ninja-Anzügen und mit Augenmaske, hatten mich erfaßt und gingen zum Angriff über.
Mit gezielten Handkantenschlägen konnte ich die ersten 20 oder 30 heldenhaft abwehren, sah mich dann aber doch zum geordneten Rückzug genötigt. Noch im Zurückweichen erwischte mich eines der Biester mit ihrem Stachel am Hinterkopf. Autsch!
Gut, vielleicht ist der Tatsachenbericht ein wenig übertrieben. Aber nur ein klein wenig. Es könnte auch eine etwas geringere Anzahl Hornissen gewesen sein, möglicherweise waren sie auch kleiner. An die schwarzen Kampfsportanzüge, glaube ich mich jetzt - Stunden später - auch nicht mehr 100%ig zu erinnern.
Sei's drum, ich habe diese dramatische Situation überlebt und betrat die Backstube durch eine Seitentür.
- Die Bio-Bäckerei -
Matthias erklärte mir den Backofen, die Heiztechnik und worauf es noch zu achten gilt. Der Raum und die ganze Atmosphäre versetzte einen irgendwie ins 19. Jahrhundert. Matthias ging da ohne Hast seinem Tagwerk nach und es kamen sehr leckere Brötchen zum Vorschein. Nach dem Frühstück hieß es wieder Sachen packen und losmarschieren, diesmal nach Teterow.
- Gastfreundlichkeit in Teterow -
Ich war um 17:00 Uhr mit Jana Koch vom örtlichen Tourismus-Büro verabredet. Sie empfing mich sehr herzlich und sagte gleich der Sozialamtsleiterin Frau Martens, Frau Pagenkopf vom Nordkurier und Frau Maibohm, der Leiterin der hiesigen Jugendherberge, Bescheid. Die Damen waren wirklich großartig. Von der Stadtverwaltung gab es 50€ in die Spendenbüchse und von Jana Koch und Sigrun Maibohm kamen weitere 50€ dazu. Ganz herzlichen Dank!
Mit Sigrun Maibohm bin ich dann zur JH gefahren, denn hier durfte ich heute zu Abend essen und nächtigen. Wir unterhielten uns noch längere Zeit, über die Schwierigkeiten, eine solche JH am Laufen zu halten und auch immer wieder Gelder für Renovierung oder nötige Anschaffungen zu sammeln. Ich kann da Sigrun und ihrem Team nur ganz fest die Damen drücken.
- Entspannen am See -
Mit einem Lübzer Pils ausgerüstet, bin ich nochmal vorm Einschlafen zum See geschlendert. Er lag schön ruhig zwischen Schilf und Bäumen eingebettet da. Ein paar Angler waren auf dem Steg und versuchten ihr Glück. Ein schöner Moment zum "Runterfahren".
* 119. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 29.07.2011 *
Strecke: Teterow --> Krakow am See (22 km) / Gesamtstrecke: 1644 km
Dauer: ca. 6h / Google Maps 119. Etappe
- Start im Regen -
So langsam könnten mal wieder ein paar Sonnentage hintereinander kommen. Da fällt es schon schwer, den Rucksack zu schultern und weiterzuziehen. Bevor ich mich von Sigrun, der wunderbaren Herbergsleiterin in Teterow, verabschieden konnte, klärte sie mal eben ab, daß ich am Sonntag bei den Jugendherbergskollegen in Malchow ebenso herzlich aufgenommen werde.
Die Etappe war lang, aber nur kurzzeitig regnete es. Von Krakow aus ging es noch 5km durch den Wald bis nach Neu Sammit. Das ist ein kleines Dorf, das im Grunde aus einem Schloß und den dazugehörigen Wirtschaftshäusern besteht. Das Schloß und einige der Häuser sind mittlerweile zu einer Kinder- und Jugendbegegnungsstätte umgebaut worden.
- Die Kinder- und Jugendbegegnungsstätte Neu Sammit -
Das ganze, wunderbar idyllisch im Wald und am Langsee gelegene Areal ist nicht etwa ein vom Land oder von einem christlichen Träger finanziertes Vorzeigeobjekt. Langjährige Bewohner von Neu Sammit - mit der überaus herzlichen und resoluten Lucia Dirks an der Spitze - haben Mitte der 90er einen Verein gegründet, mit der Herkulesaufgabe, das Schloß und die entsprechenden Gebäude zu renovieren, die Finanzierung sicherzustellen und alles als reizvolle Freizeitanlage in der Mecklenburgischen Schweiz aufzubauen.
Im Flur des Gästehauses hängt eine Collage, die den Zusammenbruch des Hauses 1 und den mühevollen Wiederaufbau dokumentiert. RESPEKT für die mit sehr viel Herzblut und Engagement beteiligten Neu Sammiter!
Lucia Dirks nahm mich in Empfang und zeigte mir meinen heutigen "Platz" zum Schlafen. Mangels sonstiger Belegung bekam ich einen schöne Ferienwohnung mit herrlichen Blick auf Wald und See. Später kam auch noch Torsten Renz zu Besuch. Dem Landtagsabgeordneten verdanke ich ja den Kontakt zu Lucia Dirks. Ich erzählte ihm von den bisherigen Erlebnissen der Deutschlandtour und wir machten noch ein schönes Foto vor dem Haus. Danach: Duschen + Hunger.
- Überraschung am Abend: Hausmusik bei Christoph -
Die fürsorgliche Lucia lud mich ein, später noch im Haus gegenüber bei Christoph vorbeizuschauen. Da kamen ein paar Freunde zum Essen und Plaudern. Eigentlich war ich ziemlich müde. Die täglichen Wandertouren gehen schon an die Substanz und ich freute mich auf den morgigen Ruhetag. Aber ok, ich dachte mir, ich sag mal Hallo.
Das Hallo-Sagen dauerte dann bis kurz nach 24:00 Uhr und es war richtig lustig. Nach einem entspannten Genuß des Kesselgulasch und einigen Fragen und Antworten zur Deutschlandtour, holte der Hausherr Christoph die Gitarre raus, Lucias Mann Josef schnallte das Akkordeon um und sie selbst griff zur "Teufelsgeige". Hä? Zu was? Kannte ich vorher auch nicht. Das ist ein Holzstab, an dem zwei Metallsaiten über einen Kochtopf (!) gespannt waren. Am oberen Ende hingen noch zwei kleine Metallteller, die schepperten, wenn man dagegen schlug.
Und damit wurde ordentlich Gas gegeben. Singfest waren sie alle und kein Lagerfeuerklassiker blieb unberücksichtigt. Tolle Stimmung. Sogar die beiden Töchter des Hauses riefen zweimal von ihren Zimmern aus unten an und baten um Ruhe. Das läuft doch sonst immer anders herum?! :-) Ziemlich müde, aber in dem Bewußtsein, hier wieder ein paar wunderbare Leutchen kennengelernt zu haben, fiel ich in die Kissen.
* 120. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 30.07.2011 *
Ruhetag in Krakow am See / Gesamtstrecke: 1644 km
- Nötiger Ruhetag -
Ich hab nicht so richtig gut geschlafen, was aber nicht an den schönen Räumlichkeiten in Neu Sammit lag. Die letzten Etappen haben ziemlich geschlaucht. Das merke ich jetzt. Insofern wollte ich heute mal komplett die Beine hochlegen, mußte aber vormittags noch ein paar Sachen besorgen. Glücklicherweise fuhr Christoph nach Güstrow und nahm mich mit. Ich machte meine Besorgungen, fühlte mich aber nicht so richtig fit für einen Stadtrundgang. Aber Christoph zeigte mir noch das Wahrzeichen der Barlachstadt Güstrow, nämlich den "Schwebenden". Das ist eine Skulptur des Bildhauers Ernst Barlach, der in Güstrow lebte. Den Nachmittag wollte ich dann ruhefindend in der Horizontalen verbringen, wurde aber von Lucia mit einer Einladung zum Kaffeetrinken im Garten gestört. Das ist natürlich nur scherzhaft gemeint. Meine lieben Neu Sammiter habe ich ja richtig ins Herz geschlossen. Traditionell findet hier so ein Kaffeekränzchen in einer Laube statt, die rund um einen Baum herum errichtet wurde. Schöne Atmosphäre mit lieben neuen Freunden.
* 121. Tag DEUTSCHLANDTOUR-Tagebuch + Gastgeber-Anfragen / 31.07.2011 *
Strecke: Krakow am See - Malchow (22 km) / Gesamtstrecke: 1666 km
Dauer: 5.5h / Google Maps 121. Etappe
- Frühstücken in der Laube -
Nachdem ich vormittags meinen Rucksack wieder gepackt hatte, traf ich mich mit den Neu Sammitern zum Frühstück. Lucia und ihre Familie, wie auch Christoph und Familie waren als praktizierende Christen vorher in der Sonntagsmesse. Diese ganze Gemeinschaft hier strahlt eine entspannte, humorvolle Zusammengehörigkeit aus. Wir haben viel gelacht. Da fällt es schon ein wenig schwer, wieder weiterzuziehen.
- Ein Kleinod am See -
Lucia zeigte mir noch das Neu Sammiter Schloß. Es liegt herrlich am See und ist mit viel Aufwand und Liebe renoviert worden. Die Jugendgruppe, die im Moment dort einquartiert war, schien sich augenscheinlich wohl zu fühlen. Das kommt bei besserem Wetter noch mehr zur Geltung.
- Waldwege -
In zweierlei Hinsicht hatte ich heute Glück: Zum einen kam ich nicht in den Regen und zum anderen ließ sich die ganze Etappe sehr schön laufen. Es ging angenehm auf Waldwegen entlang, die vom Regen der vorherigen Tage nicht zu sehr in Mitleidenschaft gezogen wurden. Zudem hielten sich die Angriffe der Killer-Moskitos in Grenzen.
- Malchow -
Die Jugendherberge in Malchow nahm mich sehr gastfreundlich auf, da die gute Sigrun, von der JH in Teterow, mein Kommen ja schon vorbereitete. Der einzige Haken war, daß sich irgendwie eine Erkältung ankündigte. Ich fühlte mich ziemlich schlapp, mit so einem prägrippalem Kratzen im Hals. Das konnte ich jetzt aber sowasvon gebrauchen. Aus dem Grunde ließ ich mal alle Pläne bzgl. Ortsbesichtigung fallen und ging früh ins Bett.